Die Johannes-Apokalypse
Michael Brenner

II.  DER POSAUNENSTOSS DES SIEBTEN ENGELS: DIE MESSIANISCHE ENDZEIT

 

      - DÄMONISCHE MÄCHTE UND GEWALTEN

        IN DER SCHÖPFUNG UND IHR UNTERGANG

      - DAS „STERBEN“ DER SCHÖPFUNGSWELT

 

Beim Posaunenstoß des siebten Engels setzt die messianische Endzeit ein und eröffnet weitere sieben Visionen des Sehers Johannes. In der Endzeit wird Christus geboren, er wird der Weltenrichter sein: Das Reich Gottes ist nahegekommen, und die Macht der dämonischen Welt ist gebrochen, Christus heilt in der Endzeit die Menschen und rettet sie vor dem Dämon des Todes.

Die dämonische Welt, dargestellt in der Gestalt des „Drachen“ und der „Hure Babylon“, erscheint in ihrer Machtfülle, ihrer dämonischen Pracht und bedroht die „apokalyptische Frau“, Gottes Volk.

Die „apokalyptische Frau“ in Geburtswehen, Inbegriff des Lebens selbst, gebiert Christus, das göttliche Kind,  und es wird zu Gottes Thron entrückt. Gott rettet Christus vor den Mächten des Todes, der gewaltige Rachen des Todesdrachen konnte ihn nicht verschlingen. Er hat die Todesmacht als Erster besiegt, mit ihm beginnt die Neue Schöpfung.

Die alte Schöpfungswelt aber vergeht, sie löst sich auf, die Schalen des „Zornes Gottes“ werden über sie ausgegossen - und auch das dämonische Reich der „Hure Babylon“ geht unter, das getragen wird von den dämonischen Mächten. Gott selbst aber rettet die Seinen, die Kinder des Lichts durch das „Sterben“ der Schöpfungswelt hindurch und führt sie zur „Neuen Stadt Gottes“.

 


 

II. 1. DIE FRAU UND DER DRACHE

Der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet, und in seinem Tempel wurde die Lade seines Bundes sichtbar: Da begann es zu blitzen, zu dröhnen und zu donnern, es gab ein Beben und schweren Hagel.

Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet;, der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Sie war schwanger und sie schrie vor Schmerz in ihren Geburtswehen.

Ein anderes Zeichen erschien am Himmel: ein Drache, groß und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und mit sieben Diademen auf seinen Köpfen. Sein Schwanz fegte ein Drittel der Sterne vom Himmel und warf sie auf die Erde herab. Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte; er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war. Und sie gebar ein Kind, einen Sohn, der über alle Völker mit eisernem Szepter herrschen wird. Und ihr Kind wurde zu Gott und seinem Thron entrückt. Die Frau aber floh in die Wüste, wo Gott ihr einen Zufluchtsort geschaffen hatte; dort wird man sie mit Nahrung versorgen, zwölfhundertsechzig Tage lang.
Offenb. 11, 19; 12, 1-6

Ein Drache bedroht Gottes Volk, die „apokalyptische Frau“, die Christus gebären wird.

Es öffnet sich für den Seher Johannes ein Stück weit der Himmel, der himmlische Tempel als Urbild des irdischen Tempels  wird geöffnet, und die Bundeslade wird sichtbar: Gott hat mit seinem Erdenvolk einen Bund geschlossen, der für immer bestehen bleibt. Das Erscheinen Gottes in der Endzeit kündigt sich an in der gewaltigen Bewegung der Naturgewalten.

Es ist, als würde mit einem Ruck ein Bühnenvorhang aufgerissen und ein gewaltiges Bild erscheint vor dem Seher. 

 

 

Tafel 21:

Ein großes Zeichen erscheint am Himmel: Eine Frau im Glanz der Gestirne und ein anderes Zeichen erscheint: der Drache. In einem einzigen Bild erscheint das Grundproblem der ganzen Geschichte, der Kampf zwischen himmlischen und dämonischen Mächten, die Bedrohung von Gottes Volk durch den „Drachen“. Die „Frau“ ist ein Bild, eine Chiffre für das Gottesvolk des Alten und Neuen Bundes, sie steht im Lichtglanz Gottes, die Gestirne sind ihr Kleid und ihr Schmuck, sie steht über der Schöpfung. Ihr Haupt ragt im Bild des Buchmalers in die obere Sphäre des Himmels hinein, doch von unten aus dem Grünland der Erde steigt der siebenköpfige geflügelte Drache in den Farben feuerrot, blau, grün und purpur empor - getarnt mit den Farben des Regenbogens, der Leben verheißt.

Die zwölf Sterne um das Haupt der Frau versinnbilden die zwölf  Stämme Israels (die zwölf Apostel), sie  sind angeordnet im Pfauenrad, dem Symbol der Unsterblichkeit, sie stehen auf den Spitzen der Strahlen der Sonne. Sie ist geschmückt mit Licht und erhellt die Welt. Wie eine Sichel ist der Mond unter ihren Füßen, sie steht auf den äußersten Spitzen der Sichel, in Purpur gekleidet, überlang sind die Finger ihrer linken Hand, die sie abwehrend dem geifernden Drachen entgegenstreckt. Mit ihrer Rechten hat sie das Handgelenk des hilflosen Neugeborenen umklammert und zieht ihn aus dem Bannkreis des Drachen, der es zu verschlingen droht. 22)

Im Bild hat sich der Drache gedreht und blickt nach hinten, den Drachenschwanz und den ganzen Körper zum Angriff hochgereckt, hinterhältig den Angriff zu proben. Er trägt in der Vision des Sehers sieben Diademe auf seinen Köpfen, aber die kaiserliche Pracht und das Gepränge ist nur eine Maske, er will die Lebenswelt der Menschen zerstören, er greift das Grundgefüge der Schöpfung an. Sein Schwanz fegt ein Drittel der Sterne vom Himmel, noch bevor die Frau ihr Kind geboren hat. Er verdunkelt die Welt, er raubt ihr das Licht der Sterne. Er wirft die Sterne auf die Erde, damit sie die Erde in Brand setzen, er will die Lebensgrundlage der Menschen zerstören.

Es beginnt der Kampf der Endzeit: Der Drache sucht das messianische Kind, den kommenden Weltenrichter nach seiner Geburt zu verschlingen, den kommenden Weltenherrscher, den Christus der Endzeit.

Der majestätisch, fast unbeweglich wirkenden Frau, wie balancierend auf der Sichel des Mondes, steht im Bild des Buchmalers voller Wut und Angriffslust der Drache gegenüber. Sie ist die „Sonne“, eine Lichtgestalt - Licht und Dunkel stehen einander gegenüber. Die Farben des Drachens wiederholen sich und widerspiegeln sich im Lichtschein  um das Haupt der Frau: Auch der Drache entstammt dem Lichtbereich, er war einst „Lichtträger“ (griech. Luzifer) Gottes. Der Drache hat gleichsam göttliche Attribute, er ist im Bild des Malers „ähnlich“ der Frau, nur der goldene Lichtglanz fehlt. Der Kampf mit der Frau spielt sich ab im Goldgrund, im göttlichen Bereich, ein Kampf in den Himmeln.

Aus dem Volk Gottes als „apokalyptischer  Frau“ wird in Maria das Kind, Christus, der Messias geboren, der nach dem Propheten Jesaja über alle Völker herrschen wird mit „eisernem Szepter“, er wird Gerechtigkeit schaffen. Mit der Geburt des Kindes ist die messianische Endzeit angebrochen, der Drache stürzt aus der Unendlichkeit in die Geschichte der Menschen, und er verfolgt sie auf der Erde. Er ist endlich geworden, seine Zeit ist begrenzt „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“, sagt Jesus im Lukasevangelium (Lk 10,18).

Der Drache wird von Gott selbst aus dem Himmel auf die Erde gestürzt ( siehe dazu Offenb. 12, 7-10). Während Christus den Tod überwindet, aus dem Reich des Todes gerettet und nach der Auferstehung zu Gott entrückt wird, flieht die Frau, Gottes Volk in die „Wüste“, wo Gott ihr und ihren Nachkommen einen Zufluchtsort geschaffen hat und sie nährt wie die Menschen der Brotvermehrung. Er versorgt sie mit Nahrung zwölfhundertsechzig Tage lang, zweiundvierzig Monate, dreieinhalb Zeiten, die Hälfte von sieben Schöpfungstagen - denn die Zeit des Wartens ist nur eine begrenzte Zeit.

Ebenso wie die Frau wird auch der Drache „gebären“: Einen neuen Drachen, der aus dem Meer aufsteigt, seine Ausgeburt, das „Tier aus dem Meer“, den „Antichrist“. 23) Der Drache vervielfältigt sich und schlüpft in die Strukturen der menschlichen Geschichte, er wird „menschenähnlich“, und seine Dämonen nehmen Wohnung in den Herzen der Bewohner der Erde.

 


 

II. 2. DER STURZ DES DRACHEN

 

Da entbrannte im Himmel ein Kampf; Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen. Der Drache und seine Engel kämpften, aber sie konnten sich nicht halten, und sie verloren ihren Platz im Himmel. Er wurde gestürzt, der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt und die ganze Welt verführt; der Drache wurde auf die Erde gestürzt, und mit ihm wurden seine Engel hinabgeworfen. Da hörte ich eine laute Stimme im Himmel rufen: Jetzt ist er da, der rettende Sieg, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Vollmacht seines Gesalbten; denn gestürzt wurde der Ankläger unserer Brüder, der sie bei Tag und bei Nacht vor unserem Gott verklagte.
Offenb. 12, 7-10

Der Drache wird aus dem Himmel vertrieben und auf die Erde gestürzt.

Dramaturgisch schiebt der Verfasser der Apokalypse jetzt das Bild vom Engelkampf ein, weil sich die Frage stellt: Woher ist der Drache gekommen, der das Kind und die Frau bedroht?

 

 

Tafel 22:

Der Drache ist im Bild des Buchmalers geflügelt, weil er ein gestürzter Engel ist; er hat gleichsam gottähnliche, dämonische Kräfte, weil er ursprünglich aus dem Bereich Gottes kommt. Durch seinen Sturz auf die Erde aber ist er „endlich“ geworden, er ist in die „Zeit“ gestürzt, also wird auch seine Zeit zu Ende gehen wie die aller endlichen Wesen. Der Engelskampf ist ein überzeitliches Geschehen. Als „Chaosmacht“ war der Drache schon zu Beginn der Schöpfung existent, als „alte Schlange“ verführte er Adam und Eva, andererseits aber war er als Erzengel Satanas am Hofe Gottes derjenige, der die Menschen vor Gott wegen ihrer Vergehen anklagte. Als Personifikation des „Gegners“ der Menschen tritt er in verschiedenen Rollen auf.

Als Gott Himmel und Erde schuf, hat er neben der materiellen, sichtbaren Welt daneben auch die unsichtbare , immaterielle Welt geschaffen. Als er das Urlicht am ersten Schöpfungstage schuf, als er sprach: es werde Licht, hat er nach der Legende die lichtvollen Geistwesen, die Engel geschaffen.

Doch zugleich war auch die „Macht der Dunkelheit“ als Gegenstück anwesend. Und Gott schied das Licht von der Finsternis, heißt es im Buch Genesis, er sah, dass das Licht gut war. Hat er auch die Finsternis geschaffen?

Schöpfer des Himmels und der Erde nennen wir ihn, der sichtbaren und der unsichtbaren Welt; der unsichtbare, immaterielle Teil der Schöpfung ist die Lichterwelt der machtvollen Geistwesen. Die unsichtbare Welt ist mächtiger als die sichtbare Welt. In dieser unsichtbaren Welt spielt sich mythologisch der Engelkampf ab zwischen dem Erzengel Michael und seinen Engeln und dem Erzengel Satanas und seinem Anhang, der sich in einen Drachen verwandelt, und der Drache wird mit seinem Anhang auf die Erde gestürzt. Und der Drache spielt seine Rolle in der unteren, sichtbaren Welt, der Welt der Menschen, und die Menschen „erleben“ seine „Wut“ und sein „Handeln“ in den Erlebnissen der Zeitgeschichte und der Menschheitsgeschichte, wenn urgewaltige dämonische Kräfte sichtbar werden. Die immer wieder sichtbar werdenden Schrecknisse der Geschichte, die sich immer wieder wiederholen, formen sich bei den Menschen zu apokalyptischen Bildern und Figuren aus.

Wenn du die Frucht ißt vom Baum der Erkenntnis, sagt die Schlange zu Eva im Paradies, dann wirst du sein wie Gott. Dieses Motiv leuchtet auch im Engelkampf auf: Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen. Der hebräische Name „Mi-cha-el“ - „wer ist wie Gott?“ ist das Programm und benennt auch den Grund des Kampfes: der Drache will sich an die Stelle Gottes setzen, er glaubt an seine eigene gottgleiche Macht.

Der Maler der Bamberger Apokalypse hat das Bild vom Engelkampf symmetrisch dargestellt: Der obere Bereich in Goldgrund getaucht, versinnbildet die göttliche Welt, sie kämpft in Gestalt der zwei Engel gegen die untere, widergöttliche Welt, wo der Drache symmetrisch in Verdoppelung dargestellt wird. Er mutiert zu einem doppelten Wesen, oder ist es seine Doppelnatur? - aber auch die Zahl der kämpfenden guten Engel verdoppelt sich. Die geflügelten Drachen, aufsteigend von unten aus dem Urmeer, wobei sie sich mit dem Schwanz abstützen, drängen mit geöffneten Rachen nach oben bis an die Kante des Urmeeres, die Lanzen der Engel drücken sie nach unten, damit sie ihre Grenzen nicht überschreiten; sie sind eingesperrt in einen Kasten: Die Spitzen der Lanzen, zum Kreuz geformt, stoßen in ihre Mäuler und halten sie in Schach. Der Drache, der aus dem Meer aufsteigt und gegen die Welt des Lichtes kämpft, ist mythologisch eine Chiffre für die Mächte der Schattenwelt, der Totenwelt und  die todbringende Gewalt des Meeres.

Überlang ist der Arm des rechten Engels, mit dem er die Lanze senkrecht nach unten stößt, wobei der rechte Flügel den kraftvollen Schwung ausdrückt. Die Schilde, die die Engel abwehrend nach unten halten, in den Farben rot und grün, sehen aus wie bemalte Ostereier, Symbole der Todüberwindung. Die Blicke der Drachen richten sich voller Wut auf die Engel, doch deren Augen schauen ins Weite. Die Drachen sind geflügelt wie die Engel, sie entstammen der himmlischen, geflügelten Welt der Engel, doch sie haben den Lichtglanz Gottes um ihre Häupter verloren.

Michael kämpft gegen den Urengel, der sich gegen Gott stellt, abgespalten hat sich eine göttliche Kraft, die dämonisch ist. Es ist die Kraft des Urchaos, gegen das Gott die Struktur und Ordnung der Schöpfung stellt. Der Scheidung von guten und dämonischen Engeln entspricht auch die Scheidung von Licht und Finsternis. Das Leben selbst aber bewegt sich auf dem schmalen Grad zwischen Chaos und Leben verhindernder erstarrender Ordnung - dem Tod.

Im Buch Hiob des Alten Testaments ist der Urengel Satanas der Widerpart des Menschen, der ihn vor Gott wegen seiner Vergehen anklagt. Er sagt zu Gott, wenn dieser dem Menschen alle Übel und alles Leid schicke und an sein Leben rühre, dann werde auch der Gerechte Gott verfluchen. Leid und Verzweiflung der Menschen arbeiten dem gefallenen Engel, dem dämonischen Drachen zu, den Gott auf die Erde gestürzt hat. Krankheit, Leid und Tod sind dessen Vasallen und suchen den Menschen zu schaden. Gott schickt nicht das Leid und den Tod, doch lässt er es zu, am Ende jedoch wird er den Menschen retten und heilen und die Dämonen der Unterwelt binden.

Die himmlischen Heerscharen kämpfen für Gottes Volk, das Christus, den Messias gebiert, damit der Drache ihn und die Frau nicht verschlinge. Was unten auf der Erde sich zeigt in Bedrohung, in Leid und in Tod, dagegen entbrennt oben in den Himmeln schon immer die Entscheidungsschlacht, der Kampf zwischen den Engeln, - das Leben, das von Gott kommt, wird letztendlich siegen, denn niemand ist Gott gleich.

Die Schöpfung der sieben Tage war „gut“, und gegen sie geht der siebenköpfige Chaosdrache an, den zehn Hörner zieren. Die zehn Hörner sind die „Gesetze der Macht“, die die Unterwelt schreibt, in Gegensatz gestellt zu den zehn Geboten des Dekalogs - sie sind ein Antidekalog.

Die Mächte des Chaos, die den Menschen Schaden zufügen, haben ihren Platz im Himmel verloren. Sie bekriegen die Menschen, diese aber haben die „Macht“, Kinder Gottes zu werden, sie sind aus Gott geboren und nicht die Kinder des Dämons. Die Kinder Gottes sind die Seliggepriesenen der Bergpredigt.

Der geringelte Schwanz des Drachen im Bild des Buchmalers ist Zeichen der verführenden Urschlange, die von Anfang an den Menschen belauert und in Gottes Ferne führen will. Was oben im Himmel sich abspielt als Kampf der Engel spielt sich auch ab in den Herzen der Menschen, es ist derselbe Kampf von „Oben“ und „Unten“, von Licht und Finsternis, doch das Licht soll die Oberhand gewinnen.

Dem Heer der himmlischen Scharen tritt gegenüber das Heer der dämonischen Engel, die es gerne vermöchten, ihre eigene Schöpfungswelt zu schaffen auf Erden und dies immer wieder versuchen, und die „tausendjährigen“Reiche nehmen kein Ende in Schriften, Worten und Taten. Wer sich unter den Menschen zum Engel erhebt, wird zum Teufel, sagt der Schriftsteller Dostojewski.

Der Dämon verklagt den Menschen vor Gott Tag und Nacht, damit Gott, der Schöpfer seine Schöpfung verfluche und er sie zurücknehme in einer Sintflut, damit das Chaos zurückkehre und der Herr der Unterwelt herrsche im Chaos. Die Schleusen des Himmels sollen sich öffnen, damit alles ertrinke und das Urmeer die Schöpfung überspüle, wie die dämonischen Heere der Apokalypse die Erde der Menschen überfluten und alles zerstören - Bilder der „Antischöpfung“. Dann kann Gott, der Herr, alleine und einsam thronen in der Höhe,denn verschwunden und zurückgesunken ins Chaos ist sein Wunderwerk, das er kunstvoll geschaffen.

Doch Gott ist langmütig und gütig, er schlägt seinen Bogen zu seinen menschlichen Geschöpfen, sichtbar in den Farben der Sonne, die dem Regen folgen, im „Regenbogen“. Als Zeichen setzt er ihn in die Wolken. Doch belauert der Dämon, das Ungeheuer, die Erde und verwüstet sie. Die Frau, Gottes Volk muss in die Wüste fliehen, wie einst Israel floh vor Ägypten, damit sie gerettet werde, und Gott schützt sie vor den Fluten des Wassers wie er einst Israel schützte vor den Fluten des Roten Meeres.

Der „ewige“ Drache, dem seine Ewigkeit genommen wurde, der von Gott in die endliche Zeit gestürzt wurde, begegnet Gottes Sohn auf der Erde, der in die endliche Zeit gekommen ist. Und Gottes Sohn treibt mit dem Finger Gottes die Dämonen aus, er heilt die Kranken und erweckt die Toten, weil die Macht des Drachen gebrochen ist und ihrem Ende entgegengeht.


 

II. 3. DER KAMPF DES DRACHEN GEGEN DIE FRAU

 

Als der Drache erkannte, dass er auf die Erde gestürzt war, verfolgte er die Frau, die den Sohn geboren hatte. Aber der Frau wurden die beiden Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie in der Wüste an ihren Ort fliegen konnte. Dort ist sie vor der Schlange sicher und wird eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit lang ernährt. Die Schlange spie einen Strom von Wasser aus ihrem Rachen hinter der Frau her, damit sie von den Fluten fortgerisssen werde. Aber die Erde kam der Frau zu Hilfe; sie öffnete sich und verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Rachen gespien hatte. Da geriet der Drache in Zorn über die Frau, und er ging fort, um Krieg zu führen mit ihren übrigen Nachkommen, die den Geboten Gottes gehorchen und an dem Zeugnis für Jesus festhalten. Und der Drache trat an den Strand des Meeres.
Offenb. 12, 13-18

Kann die „Frau“ den Angriff des Drachen überleben, der sie auf der Erde angreift?

 

 

Tafel 23:

„Auf Adlerflügeln habe ich dich getragen“, heißt es im neunzehnten Kapitel des Buches Exodus. Die Frau, der Gott die Flügel des Adlers verliehen hat, fliegt im Bild des Buchmalers über die Erde, einen Kranz von zwölf Sternen um ihr Haupt.  Sie fliegt im Lichtglanz Gottes, im goldenen Grund, der eine Flügel zeigt nach oben, der andere nach unten. Die Hände hat sie nach vorne ausgestreckt in die Zukunft, die vor ihr liegt, die Gott ihr schenken wird.

Der siebenköpfige Drache - Sinnbild der „Antischöpfung“, mit den zehn Hörnern (der Maler hat elf gemalt), die seine Macht ausdrücken, „Gebote“ zu erlassen - Sinnbild des „Antidekalogs“, geflügelt - ein gefallener Engel, er hat den geringelten Schwanz zum Angriff hochgestellt. Er sitzt auf dem gelben Wüstenboden und ragt drohend in den Goldgrund des Himmels. Den Kopf hat er nach hinten gedreht, er ist nicht wie die Frau vorwärts, sondern rückwärts gewandt - er hat keine Zukunft. Er speit einen Strom von Wasser hinter der Frau her: Der Rachen des Urchaos hat sich geöffnet und speit die neue Sintflut aus, damit Gottes Volk untergehe. Doch die Erde, schwimmend wie eine Insel im Goldgrund, wie sie der Buchmaler darstellt, sie verschlingt die Sintflut. Der Drache schleudert aus seinem Rachen Wasser wie einen Strom hinter der Frau her, aber auch die Erde öffnet ihren Rachen und „verschlingt“ den Strom. Die ganze Erde wird zu einem Lebewesen und eilt der Frau zu Hilfe.

Die Schöpfung Gottes überwindet die aus dem Chaos hervorbrechenden Ströme und macht sie sich dienstbar. Denn der Herr hat Wasser von Wasser geschieden (Gen 1), damit unter dem Himmelsgewölbe, dem Firmament, das wie ein gläsernes Meer die Erde überwölbt, das trockene Land sichtbar werde, auf dem die Menschen wie auf einer Insel leben können. Doch sind sie in der Vorstellungswelt der Apokalypse ständig bedroht durch Fluten, herabregnendes und hervorquellendes Feuer im Lavastrom der Vulkane, von Stürmen, die zum Inferno sich steigern können als Kräfte der Unterwelt. Der Platzregen in der Wüste kann zur kleinen „Sintflut“ werden, da er alles schnell überschwemmt und die Kleintiere ertrinken läßt, er zeigt die Urplötzlichkeit des hereinbrechenden Chaos.

Im Bild des Buchmalers zeigt sich der Drache in schillernden Farben, farblich abgestimmt auf die Farben der Frau als wäre er ihr „ Partner“. Die Frau wird von unten her abgedeckt durch die Erde, die sie schützt und ihr zu Hilfe kommt. Die Erde ist es, die Leben spendet und Leben schützt, die die Menschen nährt und sie überleben lässt. Nach dem Exodus aus Ägypten wird Israel vor der Verfolgung des Pharao, des ägyptischen  „Drachen“ gerettet, vom Meer selbst wird es beschützt, in der Wüste genährt, und der Fels wird zur sprudelnden Quelle. In der lebensfeindlichen Wüste überlebt die apokalyptische Frau, Gottes Volk, weil Gott sie behütet und ernährt. Er gibt ihr das Brot des Lebens und den Wein der Lebensfreude dreieinhalb Zeiten lang, die Hälfte von sieben Schöpfungstagen, es sind Zeiten der Not, denn noch ist die Zeit nicht erfüllt, dass Gott erscheint.

Im Psalm heißt es:“ Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt; du schreitest über Löwen und Nattern, trittst auf Löwen und Drachen.“(Ps 91, 11-13)

Die Flügel des Drachen im Bild des Buchmalers sind zu kurz, er kann sich nicht in die Lüfte erheben, Gott hat ihm die Flügel gestutzt - seine eigene Schwere drückt ihn auf die Erde. Nur in ohnmächtiger Wut kann er die Frau verfolgen - während sie fliegt, muss er kriechen, er speit nach ihr, er will sie mit seinem Schweif vom Himmel fegen, er will ihr Gewalt antun, doch die ganze Schöpfung eilt ihr zu Hilfe. Behütet von Gott fliegt die Frau unerreichbar über die Erde, während „unten“ das siebenköpfige  Unheil wütet, vorne feuerspeiender  Drache und hinten hinterhältige Riesenschlange.

Auch der Chaos-Engel war in Gott und ist aus ihm hervorgegangen, er hat sich gegen Gott gestellt und wurde gestürzt in die Endlichkeit der Zeit. Aus dem Chaos hat Gott das Licht geschaffen und die Erde geformt und läßt die Menschen auf ihr leben. Aber die kunstvolle Ordnung der Schöpfung ist ständig von Chaosmächten bedroht. Der Chaosdrache ist  nicht tot, er wütet gegen die Schöpfung, die „gut“ ist und gegen Gottes Volk. Doch der Herr rettet alle, die im Buch des Lebens verzeichnet sind.  Krieg führt der Drache mit allen, die aus der gebärenden Frau hervorgegangen sind und gegen alle, die aus ihr hervorgehen, die Kinder des Lichtes sind. Es ist ein Kampf vom Ursprung her: im Buch Genesis spricht Gott im Paradies zur Schlange: „er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse“(Gen 3,15).

Von Anfang an war die Chaosschlange beim Menschen in der Schöpfung und stellte ihm Fallen, machte ihn neidisch auf Gott und verführte ihn, sein zu wollen wie Gott. Doch die Menschen können nur leben von Gottes Güte, sie brauchen einen Gott, der sie immer wieder herausführt aus der Versklavung durch Ihresgleichen und die ganze lebendige Schöpfung hilft mit, sie zu befreien, indem sie „Plagen“ über den Unterdrücker, den immer neu entstehenden „Pharao“ bringt - ein unaufhörlicher Exodus der Kinder Gottes.

Das Volk, das zu Gott gehört, wird in die „ Wüste“ geführt, wo Gott es umsorgt und wo es Gott begegnet, ständig bedroht von den Mächten des Chaos. So ziehen die Menschen am Rande des Chaos, zwischen „Meer“ und „Wüste“ hindurch durch die Zeiten, geführt vom Engel Gottes, der ihnen vorangeht im Ziehen der Wolken am Tag - und loderndem Feuer, Blitz und Donner, im Wetterleuchten bei Nacht. Doch vor dem Herrn werden am Ende der Tage der Tod, alle Bosheit und alle Übel im Feuer verbrennen, zu Asche werden, die im Winde verweht. Im „Gericht“, der Zeitenernte, wird er den Drachen binden und vergehen lassen.

 


II. 4. DAS „TIER AUS DEM MEER“ UND DAS „LÜGENTIER AUS DER ERDE“

 

Und ich sah: Ein Tier stieg aus dem Meer, mit zehn Hörnern und sieben Köpfen. Auf seinen Hörnern trug es zehn Diademe und auf seine Köpfen Namen, die eine Gotteslästerung waren. Das Tier, das ich sah, glich einem Panther; seine Füße waren wie die Tatzen eines Bären und sein Maul wie das Maul eines Löwen. Und der Drache hatte ihm seine Gewalt übergeben, seinen Thron und seine große Macht. Einer der Köpfe sah aus wie tödlich verwundet; aber die tödliche Wunde wurde geheilt. Und die ganze Erde sah dem Tier staunend nach. Die Menschen warfen sich vor dem Drachen nieder, weil er seine Macht dem Tier gegeben hatte; und sie beteten das Tier an und sagten: Wer ist dem Tier gleich, und wer kann den Kampf mit ihm aufnehmen? Und es wurde ermächtigt, mit seinem Maul anmaßende Worte und Lästerungen auszusprechen; es wurde ihm Macht gegeben, dies zweiundvierzig Monate zu tun.

Und ich sah: Ein anderes Tier stieg aus der Erde herauf. Es hatte zwei Hörner wie ein Lamm, aber es redete wie ein Drache. Die ganze Macht des ersten Tieres übte es vor dessen Augen aus. Es brachte die Erde und ihre Bewohner dazu, das erste Tier anzubeten, dessen tödliche Wunde geheilt war. Es tat große Zeichen; sogar Feuer ließ es vor den Augen der Menschen vom Himmel auf die Erde fallen. Es verwirrte die Bewohner der Erde durch die Wunderzeichen, die es im Auftrag des Tieres tat; es befahl den Bewohnern der Erde, ein Standbild zu errichten zu Ehren des Tieres, das mit dem Schwert erschlagen worden war und doch wieder zum Leben kam.
Offenb. 13, 1-5.11-14

Jetzt erschafft der Urdrache neue Drachen, die Krieg führen gegen die Nachkommen der „Frau“.

Der Urdrache, der Chaosdrache, tritt an den Strand des Meeres, und er erschafft einen neuen Drachen, der aufsteigt aus den Tiefen des Meeres, und er wohnt in der Stadt am Meer, in „Rom“, im neuen „Babylon“. Der neue Drache, Abbild des Urdrachen, ist für den Seher Johannes das nichtchristliche „römische Reich“ im 1. Jahrh. n. Chr., - für ihn Inbegriff der unterdrückenden, menschenfeindlichen, intoleranten, gewaltbereiten, blutigen Macht, die immer wieder durch die Zeiten hindurch aus dem Meer des Chaos auftaucht wie ein Drache.

 

 

Tafel 24:

Das Tier aus den Meer mit sieben Köpfen und zehn Hörnern setzt der Buchmaler in den Goldgrund, um dessen gottähnliche Macht zu zeigen. Aus den Löwenkopf des Drachen sind sechs weitere Drachenköpfe hervorgewachsen, die insgesamt zehn Hörner tragen, ein Kopf scheint verwundet (“Nero“). Die Mähne des Drachen gleicht den Wellen des Meeres, seine Bärentatzen hat er auf das Grünland der Erde gelegt, sein Drachenschwanz ist eingedreht und verschlungen. Das Tier erinnert an eine lykische Chimäre. Es geht wohl in seinem Bild auf eine nächtliche Vision des Propheten Daniel (Dan 7,1-28) zurück, wo Daniel aus dem Meer vier große Tiere heraufsteigen sieht: das erste war einem Löwen ähnlich , das zweite glich einem Bären, das dritte einem Panther, und das vierte schrecklich anzusehende Tier mit zehn Hörnern zermalmte alles. Es ist Daniels Vision von den vier Weltreichen.

 

Die sieben Köpfe weisen hin auf Rom, das auf sieben Hügeln liegt und auf sieben römische Kaiser seit Oktavian, dem divinus Augustus, in dessen Regentschaft Christus geboren wurde. Der Geburtstag Oktavians wurde als Gute Nachricht( = Evangelium) für die Bewohner des Reiches gefeiert. Kaiser Domitian (81-96 n.Chr.) ist für den Seher Johannes der „wiederkehrende Nero“, er ist eigentlich der achte Kaiser seit Augustus, aber als wiederkehrender Nero ist er der siebte. Nach der Legende wurde Nero nicht getötet, sondern er konnte sich zu den Feinden Roms, den Parthern retten, und er werde mit den Reiterscharen der Parther aus dem Osten einst wiederkommen. Einer der Köpfe des Drachen scheint tödlich verwundet - Kaiser Nero - aber er ist wiedererstanden in Kaiser Domitian. Die zehn Hörner auf den Köpfen des Drachen versinnbilden die Macht Roms, gottähnliche Gebote wie im Dekalog zu erlassen, oder sie stellen die Gesamtzahl der Vasallen Roms dar, seine Verbündeten und deren begrenzte Macht.

Halb ist der Drache im Bild des Buchmalers an Land gestiegen, halb liegt er noch im Meer - es ist eine Land- und Seemacht, die alles beherrscht, und alle Menschen bestaunen ihre Überlebenskraft über die Jahrhunderte - „Roma aeterna“ - und ihre gewaltige Stärke, ihre Macht über die Bewohner der Erde. Mit seiner Anmaßung beleidigt das Tier aus dem Meer Gott selbst, weil es sich mit göttlichen Namen und Attributen schmückt : Die römischen Kaiser nannten sich selbst „göttlich“: “divinus Augustus“, Sohn Gottes, Herr und Gott (“dominus et deus“); des Kaisers Wille solle auf Erden geschehen (“fiat voluntas tua“), das Reich Roms möge sich ausdehnen über die Erde (“adveniat regnum tuum“). Dem diametral gegenüber stehen die Vaterunserbitten des Mattäusevangeliums: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“.

Alle Bewohner der Erde verehren in den Augen des Sehers Johannes die Größe Roms außer denen, die an Christus glauben, die eingetragen sind in das Buch des Lebens und für ihren Glauben Zeugnis ablegen, die Martyrer der frühen Christengemeinden, denen es schon vorherbestimmt ist, wie sie Zeugnis ablegen. Das Schicksal der Menschen ist im Himmel bereits aufgezeichnet in der „Allwissenheit Gottes“, der auch in die Zukunft schaut, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schaut wie ein aufgeschlagenes Buch.

Das „ Tier aus dem Meer“ repräsentiert die gewalttätige , blutige „Macht“, es vereinigt in sich die Reiche der Erde, und ihm entspricht ein anderer Drache, das „ Tier aus der Erde“, die menschenverachtende „Ideologie“, sie ist die ständige Begleiterin der menschenfeindlichen „Macht“, und sie folgt ihr. Sie verbrämt die Macht, gibt ihr einen pseudoreligiösen Glanz ,und sie erhöht und verklärt die Macht in den Augen der Menschen, sie ist der Zwillingsbruder der Macht.

 

Tafel 25:

„Ein anderes Tier stieg aus der Erde herauf. Es hatte zwei Hörner wie ein Lamm, redete aber wie ein Drache“, erzählt der Seher Johannes. Der Buchmaler läßt aus den Tiefen der Erde das Ebenbild des Urdrachen aufsteigen, den die Engel auf die Erde gestürzt und ihm seine Grenzen zugewiesen hatten. Er erhebt sich aus der Tiefe, aus dem hoffnungsvollen Grün der Erde und steigt auf in den Goldgrund hinein, er umgibt sich mit gleichsam göttlicher Macht. Es ist eine trügerische „Hoffnung“ für die Menschen. Geflügelt erhebt er sich in die oberen Sphären, doch kann er nicht fliegen, bleibt der Erde verhaftet, der Abkömmling eines gefallenen Engels, dem Abgrund entstiegen. Sein Drachenschwanz aber haftet in den Untiefen der Erde, aus denen er gekommen ist und reicht tief hinab , seine Drehbewegung läßt seine Aggressivität und Hinterhältigkeit durchschimmern. Die Wasserfluten am rechten Bildrand zeigen seine Nähe zum „Tier aus dem Meer“. Er dominiert die Menschen im geistig-religiösen Sinn, er steigt auf in die Höhe ihrer Köpfe entgegen seiner Laufrichtung, „verdreht“ wendet er sich den Menschen zu, nicht von vorne in seiner Drachengestalt tritt er ihnen gegenüber. Äußerlich gleicht sein Haupt einem Lamm mit zwei Hörnern, scheinbar friedfertig und sanft wendet er sich den Menschen zu, aber es speit das Feuer des Drachen aus seinem Rachen: Es ist der Inhalt seiner Sprache, die ihn verrät. Die Menschen sollen vor der „Macht“, personifiziert im römischen Kaisertum, niederfallen und sie anbeten.

Der Seher Johannes links im Bild, hindeutend auf den Drachen mit überlangem Finger, meint: Auch wenn die Macht sich kleidet in religiöse Ideologie und sich hoch in die Lüfte erhebt, als käme sie von Gott, so bleibt sie doch in Wirklichkeit ein Drache, ein Nachkomme und Abbild des geflügelten Urdrachen, der bildlich gesprochen unter der Erde wohnt. Die erdbraune und grüne Farbe des Drachen zeigt seine Herkunft aus dem „unteren Bereich“, auch wenn er gerne in die „oberen Gefilde“ aufsteigen würde. Nicht zur Verehrung des wahren Gottes führt er die Menschen, sondern zu der seines dämonischen Abbilds.24) Er verführt hinterhältig zur „Anbetung“ die, die staunend vor ihm stehen. Sie stellen ihm die Fragen nach dem Leben, doch kann er ihnen wirklich Antwort auf ihre Lebensfragen geben, - er, der doch nur ein Trugbild ist?

Der Urdrache hat neue Drachen geboren, die aus Meer und Land aufsteigen als sein Ebenbild, das Zwillingspaar gewalttätige Macht und unterdrückende, religiös verbrämte Ideologie, die aber in sich wandelnder Form sich zeigen immerfort durch die Zeiten, gleichsam in Purpur gekleidet, mit Kronen und Diademen geschmückt, in verführerischer Pracht, -aber sie sind eine Scheinwelt, sie betrügen die Menschen.

Sie werden bestaunt, verehrt und angebetet, sie bewirken „Wunder“ in der Welt, aber inwendig sind sie voller Hass und Verachtung gegenüber den Menschen. Das „Lügentier“ beherrscht die Erde und ihre Bewohner durch die Zeiten; wer kann ihm widerstehen, ausser denen, die den Namen Gottes tragen? Gleich einem Chamäleon verändern die beiden „Tiere“ ihre Farben, üben strahlend ihre Faszination aus, zeigen sich in menschenfreundlicher Maske, bis diese schließlich zerbirst und das Grauen sichtbar wird.

Sie verführen die Massen, die ihnen hinterherlaufen und sie verehren als ihre neuen Götter, denen sie Standbilder errichten. Die Menschen schmücken sich mit den Runenzeichen der „Tiere“, gerne tragen sie die Zeichen ihrer Macht. Neue Welt-Ideologien entstehen, -Wunschträume, die oft nach Jahrzehnten erst zerplatzen; der „neue Mensch“ soll entstehen, der „befreite Mensch“, der „Übermensch“, und dann wird er selbst zum Ungeheuer für die anderen.

Wenn man den globalen, ungehemmten Kapitalismus, der alle Nationen beherrscht, als neu aufsteigenden Drachen sieht, den die Menschen anbeten, weil das Kapital ihr Gott ist, so ist es schwer, sich aus dem Bannkreis dieses Drachen zu lösen, weil man hineinverflochten wird in das Wirtschaftsgeschehen. Der Kapitalismus hat Wunderwerke geschaffen, vor denen die Menschen staunend stehen, er hat die Welt verändert, viele Staaten und Menschen reich gemacht, aber auch andere arm gemacht und abhängig werden lassen, und wenn seine Macht nicht beschnitten würde, so würde er als Moloch und Raubtierkapitalismus die ganze Erde verschlingen. Der Wunsch, sich über andere zu erheben, die unersättliche Gier und die Maßlosigkeit schlagen sich auch in unserer Zeit nieder im strukturellen Gefüge der Weltwirtschaft. So sieht der Verfasser der Apokalypse die weltbeherrschende Wirtschaftsmacht und politische Macht „Roms“ in seiner abstrakten bedrohlichen Gestalt als „apokalyptisches Tier“. Die dahintersteckende Gefahr, die „Menschlichkeit“ untergehen zu lassen, die lauernde Gefahr ist das „Tier“, die menschenfeindlichen Auswüchse, die global sichtbar werden. Dieses „Tier“ wirkt hinein in die kleinsten Lebensbereiche und überformt sie. Der Drache aus dem Meer, die gewalttätige, globale Macht, kann die „siebentägige“ Schöpfung verschlingen, deshalb ist seine Macht begrenzt auf zweiundvierzig Monate, auf dreieinhalb Zeitjahre, die Hälfte von „sieben“; auch seine Macht ist begrenzt und reicht nicht bis an das Ende der Schöpfung.

Ein anderer Drache, der aufstieg aus dem Meer der Geschichte ist der stalinistische Sozialismus mit seinen Lügenpropheten, der den staunenden Menschen ein Stück des Paradieses versprach, und sie alle zu einer Nummer im System degradierte. Und niemand konnte unkontrolliert seinen Geschäften nachgehen, denn die Augen des „Tieres“ vertausendfachten sich und konnten alles sehen. Und wer dieses System verlassen und dem Atem des „Tieres“ entkommen wollte, dem wurde die Lebensgrundlage entzogen. Wer das „Tier“ nicht „anbeten“ wollte, wurde abgemäht wie Gras. Schließlich aber verließ das „Tier“ seine Kraft , und es löste sich auf.

Und ein anderes „Tier“ war aufgetaucht, das ein gedrehtes Kreuz, ein Hakenkreuz, das uralte Symbol der Sonne, als Kennzeichen führte, und es teilte die Menschen ein in wertvolle Wesen und wertlose Wesen. Wer als wertvolles Wesen bestimmt wurde, durfte am Leben bleiben, alle anderen aber wollte das „Tier“ vernichten, und man baute große Todeslager, wo die Menschen gequält wurden und sich in Rauch auflösten, die Schornsteine des Lagers rauchten Tag und Nacht. Schließlich aber zerbrach das Reich des Tieres und sein Rauch stieg empor zum Himmel. Die zwölf Jahre der Herrschaft des „Tieres“ aber erlebten die Menschen wie tausend Jahre, als wolle seine Herrschaft nie enden. Ein anderer gewaltiger Drache aus dem Osten kämpfte mit dem „Tier“ und verschlang das „Tier“. Immer neue Drachen speit das Chaosmeer aus in unendlicher Folge, und sie bekämpfen einander und verschlingen sich gegenseitig, bis ihre Kraft sie verlässt und sie wieder zurücksinken ins Chaos und ihre Scheinwelt, die sie in majestätischer Pracht errichtet haben, verblasst.

Der Dämon wird  aus der falsch interpretierten Freiheit des Menschen geboren, er baut ständig wieder auf sein Reich, mit eigenen Zeichen, Hieroglyphen, Runen, Zauberfomeln, und schmückt sich mit den Insignien der Macht. Der Dämon kommt nicht von irgendwo, er ist es, der in uns selber wohnt. Der Dämon ist die Gier, sich über andere erheben zu wollen, Schöpfer und nicht Geschöpf zu sein, es ist der Neid und das Mißtrauen, dass mir etwas vorenthalten wird. Es ist das Habenwollen, Geld- und Machtgier, und das Verfügenwollen über andere. Die Urschlange ist der nagende Wurm im Kopf: ich könnte doch ... Es sind die Dämonen in uns, die uns treiben. Der „nagende Wurm“ im Kopf wird nach außen projiziert und entpuppt sich als „verführerische Schlange“, die den Menschen umkreist und einkreist, weil sie seine Gedanken errät.

Was die Menschen, die Erscheinung der Dinge und die Geschichte der Völker  bewegt, erscheint den Menschen als eine unbekannte, gewaltige Macht, die man in Visionen und Traumbildern sieht. Die unbekannte Kraft, die hinter den Erscheinungen der Dinge steht und ständig neue Formen schafft, erscheint so, als bewege sich ein gewaltiger Drache im Untergrund, der immer wieder das Chaos hervorbrechen läßt. Der Verfasser der Apokalypse läßt zwei angsteinflößende „Tiere“ heraufsteigen, sie steigen im Grunde herauf aus dem Kollektiv-Unbewußten als Projektionen unserer Angst, aber sie haben eine reale Grundlage in den Machterscheinungen unserer Welt. Das Ungeheuer aus dem Meer ist der Inbegriff der chaotischen, zerstörerischen Mächte, die in unserer Leben emportauchen, unvorhergesehen und gewaltig - existenzgefährdend. Die Gewalten, die unser Leben treiben und bedrängen, steigen auf aus Tiefen in unserem Inneren, oder sie steigen auf aus der gesellschaftlichen, machtpolitischen Wirklichkeit.

Das Reich des „Tieres“ ist aus der Sicht der Apokalypse eine Scheinwelt und eine Welt der Täuschung. Deshalb spiegeln die Figuren der Apokalypse auch etwas vor, was dem schönen Schein entspricht, zum Beispiel das prachtvoll gekleidete „Rom“. Doch hinter dem schönen Schein lauert die Horrorvision bedrohender Mächte, die sich in grotesken schreckenerregenden Phantasiegebilden zeigt. Der Schein des „Schönen“ und „Machtvollen“ verwandelt sich im Dahinterschauen in Gestalten des Bösartigkeit. Der „Täuschung“ über die Wirklichkeit entspricht die „Entlarvung“, wenn die Maske fällt und das wahre Gesicht erscheint. Eine unbekannte, dämonische, schreckeneregende Welt bedroht die Menschen, und doch ist es nur eine Scheinwelt, die letztlich keine Macht besitzt gegenüber der Wirklichkeit  Gottes.

 

 

Tafel 26:

Denn das „Lamm Gottes“ rettet die Kinder Gottes, ihre Zahl ist einhundertvierundvierzigtausend, zwölf mal zwölf mal tausend: Es sind die Kinder des neuen Israel, die christlichen Gemeinden der Frühzeit, aber es ist eine symbolische Zahl, keine numerische Zahl. Insgesamt aber ist die Zahl der Geretteten unermesslich, sie sind aus allen Nationen und Völkern, aus allen Religionen und Weltanschauungen - es sind alle, die auf Seiten Gottes stehen in der Geschichte der Menschen. Es sind die Seligen der Bergpredigt, die ein reines Herz haben, die die Melodie Gottes hören werden. Sie sind die Kinder des Exodus aus der Sklaverei in die Freiheit des Gelobten Landes. Sie hängen nicht der Scheinwelt falscher Propheten an, die kommen wie Schafe, innerlich aber reißende Wölfe sind. Sie sind die Heiligen Gottes, Salz der Erde und Licht der Welt.

Die einhundertvierundvierzigtausend haben ihr Leben in Gott in „Treue“ gelebt, sie tragen den Namen des Lammes auf ihrer Stirn, sie sind die Christen der Endzeit, die in Gottes Neue Stadt einziehen. Sie sind „jungfräulich“ geblieben, was bedeutet, dass sie Gott treu geblieben und sich von ihm nicht abgewandt haben.

Den Menschen der Christengemeinden ist das Zeichen von Christus eingeprägt, sie sind auf seinen Namen getauft. Unter ihnen erscheint der erhöhte Christus, das neue Paschalammm, er bringt den Himmel auf die Erde. Sie sind das Gottesvolk der Endzeit, die Antipode zur Stadt „Babylon“(vgl. Jürgen Roloff, a.a.O., S. 89 f.).

Im Bild des Buchmalers steht das „Lamm Gottes“, dargestellt in der Gestalt eines  „Widders“, voller Hoheit und Macht auf dem Gipfel des Berges „Zion“. Es ist der auferstandene und erhöhte Christus. Er sammelt die Seinen, die gerettet werden. Sie stehen im Goldgrund Gottes und ziehen dahin auf der grünen Straße der Hoffnung.

 


 

II. 5. DAS „GERICHT“ ÜBER DIE SCHÖPFUNGSWELT

        - DIE „ERNTE“

        - DIE SIEBEN „SCHALEN DES ZORNS“: DAS „STERBEN“ DER SCHÖPFUNGSWELT

 

Der Darstellung der Macht „Babylons“, ein Deckname für das römische Imperium,- dem Bild der Gegenwart-, folgt in der Apokalypse ohne Übergang, ohne Zwischenzeit, die Ankündigung der drei Gerichtsengel und der Untergang der Schöpfungswelt und der Untergang „Babylons“ – der Blick in die Zukunft. Wie ein „Gericht“ kommt das Geschehen über die Schöpfungswelt und über die große Stadt „Babylon“. Dem Einsammeln der Lebensernte der Völker im Bild der „Ernte“ entspricht der Untergang der Schöpfungswelt und „Babylons“.  

Dann sah ich: Ein anderer Engel flog hoch am Himmel. Er hatte den Bewohnern der Erde ein ewiges Evangelium zu verkünden, allen Nationen, Stämmen, Sprachen und Völkern. Ein anderer Engel, ein zweiter, folgte  und rief: Gefallen, gefallen ist Babylon, die Große, die alle Völker betrunken gemacht hat mit dem Zornwein ihrer Hurerei. Ein anderer Engel, ein dritter folgte ihnen und rief mit lauter Stimme: Wer das Tier und sein Standbild anbetet, und wer das Kennzeichen auf seiner Stirn oder seiner Hand annimmt, der muß den Wein des Zornes Gottes trinken, der unverdünnt im Becher seines Zorns gemischt wird.
Offenb. 14, 6.8-10

 

Tafel 27:

Es erscheinen hoch am Himmel drei fliegende Engel. Sie überfliegen die Erde und sehen Zukunft und Vergangenheit in einem. Es sind „Verkündigungsengel“, aber sie überbringen keine gute Nachricht: Sie überbringen den Bewohnern der Erde, denen, die nicht auf Seiten Gottes stehen, die Gerichtsbotschaft, den Gerichtsbeschluss, der das Urteil schon beinhaltet. Sie kündigen es an, aber zugleich ist es schon geschehen: sie verkünden im Flug das nahe Gericht, das schon da ist – den Untergang „Babylons“, der kommen wird, aber eigentlich schon geschehen ist, - den unverdünnten Wein des Zornes Gottes, den die Kinder der Finsternis trinken müssen, denen das Zeichen des „Tieres“ eingeritzt ist, sie trinken ihn „jetzt“.

Es ist „Pascha“, Vorübergang des Herrn, - und die Gerichtsengel treten ein in die Häuser der „Ägypter“, und sie gehen vorüber an den Häusern „Israels“, weil das Blut des „Lammes“ diese schützt, und die Kinder „Israels“, die Kinder Gottes werden durch alles Grauen hindurchziehen, und es wird ihnen keinen Schaden zufügen.

 


 

DIE „ERNTE“ - DIE „BLUTERNTE“

Dann sah ich eine weiße Wolke. Auf der Wolke thronte einer, der wie ein Menschensohn aussah. Er trug einen goldenen Kranz auf dem Haupt und eine scharfe Sichel in der Hand. Und ein anderer Engel kam aus dem Tempel und rief dem, der auf der Wolke saß, mit lauter Stimme zu: Schick deine Sichel aus und ernte! Denn die Zeit zu ernten ist gekommen:

Die Frucht der Erde ist reif geworden. Und der , der auf der Wolke saß, schleuderte seine Sichel über die Erde, und die Erde wurde abgeerntet Und ein anderer Engel trat aus dem himmlischen Tempel. Auch er hatte eine scharfe Sichel. Vom Altar her kam noch ein anderer Engel, der die Macht über das Feuer hatte. Dem, der die scharfe Sichel trug, rief er mit lauter Stimme zu: Schick deine scharfe Sichel aus, und ernte die Trauben vom Weinstock der Erde! Seine Beeren sind reif geworden. Da schleuderte der Engel seine Sichel auf die Erde, erntete den Weinstock der Erde ab und warf die Trauben in die große Kelter des Zornes Gottes. Die Kelter wurden draußen vor der Stadt getreten, und Blut strömte aus der Kelter; es stieg an, bis an die Zügel der Pferde, eintausendsechshundert Stadien weit.
Offenb. 14, 14-20                                    

Die Vision der „Ernte“ zeigt eine weltweite Gerichtsszene und einen gerichtlichen Vernichtungssakt ,der die betrifft, die ohne Gott sind und schwere Schuld auf sich geladen haben. Das Weltgericht wird im Bild der Ernte ausgedrückt und die Engel sind die Vollstrecker des Endgerichts.

Der aussieht wie ein Menschensohn ist ein Engel, denn die Engel üben im Auftrag von Christus die richterliche Gewalt der Endzeit aus, sie ernten die Erde ab. Die „Gottlosen“, das sind die, die keine Barmherzigkeit kannten und keine Gerechtigkeit übten und keinen Frieden suchten. Sie werden am Tag des Gerichtes vom Engel des Gerichts, der an Stelle von Christus handelt vom Weinstock der Erde abgeerntet und in die Kelter Gottes geworfen, wo sie von Gott zertreten werden (vgl. H. Ritter, Offenbarung des Johannes, a.a.O., S.77 f.)- ein Gerichtsbild.

Ihr Blut wird herausgepresst wie Traubensaft, es überschwemmt die ganze Erde, ein universales Blutbad (1600 Stadien = hundertfach alle vier Himmelsrichtungen)ereignet sich und das Blut steigt hoch bis an die Zügel der Pferde. Weil ihre Schuld, ihre Niederträchtigkeit, ihre Bosheit ohne Maßen war, ertrinkt ihre Schuld in einem Meer von Blut.

Wie sie andere zertreten haben, so werden auch sie zertreten werden und wie sie maßlos unschuldiges Blut vergossen haben, so wird auch ihr Blut maßlos vergossen werden. Ihre Schuld wird gerächt und die Rache der Schuld erfährt ihre Darstellung im „Keltertreten Gottes“, auf dass die Gerechtigkeit wieder hergestellt werde. Wie von selbst rächt sich maßlos am Ende die maßlose Schuld.

 

Die Vision von der „Ernte“:

Christus, der Weltenrichter „erntet“, so sieht es der Seher Johannes in einem visionären Symbolbild, es ist die „Ernte“ der „gott-losen“ Menschen, - er hält Gericht, er schleudert seine Sichel über die Erde, und die Erde wird abgeerntet. Ein anderer Engel mit einer scharfen Sichel tritt aus dem himmlischen Tempel, und der Engel, der Macht über das Feuer hat, der die glühenden Kohlen auf die Erde warf, auf dass sie brenne - er fordert ihn auf, mit seiner Sichel den Weinstock der Erde abzuernten. Und er erntet die Trauben vom Weinstock der Erde ab - es ist eine „blutige“ Ernte, „blutige Früchte“ und „blutige Trauben“ sind das Ergebnis der Ernte. Die scharfe Sichel erntet unerbittlich die Früchte des Bösen.

Christus ist nach dem Johannesevangelium der Weinstock Gottes auf Erden, mit dem die Kinder des Lichtes wie Rebzweige verbunden sein müssen, um gute Frucht zu bringen. Die Früchte ihrer Werke aber werden verwandelt in den Wein des Reiches Gottes und nicht in die Zorneskelter Gottes geworfen. Die ausgebeuteten Armen, die Unterdrückten,die in Not lebenden Kinder, alle, die ungerecht verfolgt wurden und alle, die für Gerechtigkeit eintraten,-sie werden am Ende auf zwölf Thronen sitzen und Gericht halten, zusammen mit Christus, Gottes Sohn, dem endzeitlichen Richter, und sie werden Gericht halten über die Herrschenden der Erde und über alle, die andere unterdrückt, ausgebeutet und ihnen Leid angetan haben. Wegen seiner Apokalypse musste Jesus sterben: er beanspruchte, über Hohepriester, Pharisäer und Römer am Ende zu Gericht zu sitzen als endzeitlicher Richter.25)

Er nennt sich Messias, Gottes Sohn, der am Ende der Tage Gericht halten wird. Er ist der wahre König Israels, und zu seinem Königsgefolge zählen die Seliggepriesenen der Bergpredigt.

Wenn die Zeit erfüllt und das Reich Gottes nahe ist, dann fallen von selbst die Früchte von den Bäumen, die Körner aus den Ähren, wie eine Fruchtblase, die platzt, weil die Zeit überreif ist.

Die Ernte erfolgt von selbst, die Sichel mäht von selbst wie eine Geburt von selbst erfolgt. Die Erde wird selbst ihr Urteil fällen. Was keine Frucht bringt, wird verdorren, die Gerechtigkeit nimmt von selbst ihren Lauf. Wer nicht im Buch des Lebens eingeschrieben ist, wird aus sich heraus vergehen, weil er kein Leben in sich hat, das von Gott kommt. Vor den Augen des Herrn wird die Schöpfung vergehen, weil ihre Zeit erfüllt ist, sie an das Ende ihrer Bestimmung gekommen ist.

 

 

Tafel 28:

Im Bild des Buchmalers hält Christus in der Rechten das Buch des Lebens, in dem alle Geretteten eingeschrieben sind, in der Linken die Sichel, das Instrument der „Ernte“, die drohend nach unten zeigt im Kontrast zum hocherhobenen Buch des Lebens. Leben und Gericht hält Christus in seinen Händen. Er thront über der Erde, getragen von Mächten und Gewalten. Links von ihm der Engel, von dem die Apokalypse erzählt, dass er laut ruft: „Schick deine Sichel aus und ernte“! Es ist die Stimme, die die Endzeit verkündet. Und ein anderer Engel tritt aus dem himmlischen Tempel und erntet die Trauben von den Weinstöcken der Erde und die Körner der Ähren.

Der Tempel Gottes ist in rötliche Farbe getaucht, rötlich ragt auch der Flügel des Engels, der aus dem Tempel blickt, ins Bild. Während der Weltenrichter Christus und die Gerichtsengel im Goldgrund sich bewegen, im himmlischen Bereich, ist im unteren Bereich, in die grüne Farbe der Hoffnung getaucht, die Welt der Menschen: Es sind die Früchte, die sie in der Zeit des Lebens hervorbringen und die am Ende geerntet werden, gute und schlechte Früchte, Wein der Lebensfreude und Brot zur Stillung des Lebenshungers - aber auch blutige Früchte bringt die Erde hervor. Emporgewachsen ist die Ernte und stößt an ihre Grenzen.

Christus schwebt majestätisch im goldenen, göttlichen Bereich, die Wolke dient ihm als heller Thronsitz, er erscheint im Lichte Gottes. Die Menschen, die gute Früchte bringen, werden gesammelt und heimgeholt vom Weinstock der Erde, sie bringen den Wein der wahren Lebensfreude hervor. Der Weinstock der Erde aber, der schlechte Früchte bringt, wird abgeerntet, und die Trauben werden in die große Kelter des Zornes Gottes geworfen; draußen vor der Stadt werden die Trauben zerstampft und der Traubensaft herausgepresst. Der Traubensaft aber, die Frucht dieses Weinstocks, erweist sich als Blut, nicht als Wein der Lebensfreude. Diese Ernte erweist sich als Blut, das auf Erden ungerechterweise vergossen wurde und über die Erde gebracht wurde. Es sind die Früchte von Mord und Krieg, es ist auch das Blut der Martyrer, die ihr Leben hingegeben haben. Eine Bluternte hat die Welt hervorgebracht über die Zeiten.

Christus, der Herr der Ernte, erscheint als Majestas Domini, als endzeitlicher Weltenrichter. Überreif ist auf der Erde die Ernte, - die Endzeit ist gekommen - die Sichel selbst ist es, die erntet.

Die Sichel ist die Kraft seines Wortes, die alle zusammenruft und Recht spricht. Der Engel, der Macht über das Feuer hat, kann die Spreu im Feuer verbrennen. Der laut rufende, der erntende und der verbrennende Engel sind die Gerichtsengel am Ende der Tage. Sie sind Chiffren für den tiefen Wunsch der Geschöpfe, dass allen am Ende Gerechtigkeit widerfahren möge, und nicht das Ende  komme und alles Leid und Unrecht, das angetan wurde, ungesühnt und im Vergessen verbleibe.

 


 

DIE SIEBEN „SCHALEN DES ZORNS“: DAS „STERBEN“ DER SCHÖPFUNGSWELT

 

Dann sah ich ein anderes Zeichen am Himmel, groß und wunderbar. Ich sah sieben Engel mit sieben Plagen, den sieben letzten; denn in ihnen erreicht der Zorn Gottes sein Ende. Dann hörte ich, wie eine laute Stimme aus dem Tempel den sieben Engeln zurief: Geht und gießt die sieben Schalen mit dem Zorn Gottes über die Erde! Der erste ging und goss seine Schale über das Land. Da bildete sich ein böses und schlimmes Geschwür an den Menschen, die das Kennzeichen des Tieres trugen und sein Standbild anbeteten. Der zweite Engel goss seine Schale über das Meer. Da wurde es zu Blut, das aussah wie das Blut eines Toten; und alle Lebewesen im Meer starben. Der dritte goss seine Schale über die Flüsse und Quellen. Da wurde alles zu Blut. Der vierte Engel goss seine Schale über die Sonne. Da wurde ihr Macht gegeben, mit ihrem Feuer die Menschen zu verbrennen. Der fünfte Engel  goss seine Schale über den Thron des Tieres. Da kam Finsternis über das Reich des Tieres, und die Menschen zerbissen sich vor Angst und Schmerz die Zunge. Der sechste Engel goss seine Schale über den großen Strom, den Eufrat. Da trocknete sein Wasser aus, so dass den Königen des Ostens der Weg offen stand. Dann sah ich aus dem Maul des Drachen und aus dem Maul des Tieres und aus dem Maul des falschen Proheten drei unreine Geister hervorkommen, die wie Frösche aussahen. Es sind Dämonengeister, die Wunderzeichen tun; sie schwärmten aus zu den Königen der ganzen Erde, um sie zusammenzuholen für den Krieg am großen Tag Gottes, des Herrschers über die ganze Schöpfung. Die Geister führten die Könige an dem Ort zusammen, der auf hebräisch Harmagedon heißt.

Und der siebte Engel goss seine Schale über die Luft. Es entstand ein gewaltiges Erdbeben, wie noch keines gewesen war seit es Menschen auf der Erde gibt. Die große Stadt brach in drei Teile auseinander, und die Städte der Völker stürzten ein. Gott hatte sich an Babylon, die Große erinnert und reichte ihr den Becher mit dem Wein seines rächenden Zornes. Alle Inseln verschwanden, und es gab keine Berge mehr. Und gewaltige Hagelbrocken, zentnerschwer, stürzten vom Himmel auf die Menschen hinab. Dennoch verfluchten die Menschen Gott wegen dieser Hagelplage.
Offenb. 15,1; /  16, 1-4.8.10.12-14.16-20

Nachdem der Verfasser der Apokalypse beschrieben hat, wie die beiden Drachen, die politische, menschenfeindliche Machtstruktur und die sie begleitende menschenverachtende, religiös verbrämte Ideologie sich in der Welt etabliert haben, und ihre Dohung und ihren Schrecken zeigen, immer und immer wieder durch die Zeiten hindurch, beginnt er sofort mit der Beschreibung der Endzeit.

 

 

Tafel 29:

Im Anschluss an die Vision von der „Ernte“ erscheint ein anderes Zeichen am Himmel: sieben Engel mit sieben Plagen erscheinen am Himmel. Auf dem Firmament stehen Engel mit den Harfen Gottes und singen das Lied des Mose, das Lied der Freiheit,26) da er, Gott, Befreiung und Gerechtigkeit schafft. Die Musik Gottes erklingt, eine Zaubermelodie, die von allen Fesseln befreien wird.

Es öffnet sich die Wohnung Gottes, und sieben Engel mit sieben Plagen in sieben goldenen Schalen treten heraus, mit Schalen, die gefüllt sind mit dem „Zorn“ des ewigen Gottes: „Lass mein Volk ziehen in die Freiheit!“, spricht der Herr. Es ist der Zorn der Leidenschaft Gottes: Es sind die Schalen der Leidenschaft Gottes, der zurückholen will mit Leidenschaft seine Menschen, und der retten wird sein Volk, und der Gerechtigkeit schaffen wird.

Sieben Plagen bedrängen die gottfeindliche Erde wie einst Ägypten bedrängt wurde, der Exodus der Heiligen steht bevor, die in Gottes neue Welt hineingehen. Unter Wehen kommt die neue Welt.

 

Im Bild des Buchmalers sieht man, wie eines der Lebewesen, die vor Gott stehen, den sieben Engeln die Füllhörner mit den sieben Plagen reicht. Vielleicht ist es das Lebewesen, das aussieht wie ein Mensch. Der erste Engel empfängt ein Füllhorn und gießt zugleich ein anderes mit feuerrotem Strahl über der Erde aus. Im unteren Bildbereich stehen die Heiligen Gottes mit Harfen auf dem „gläsernen Meer“, dem Firmament des Himmels.

 

 

Tafel 30:

Der erste Engel gießt seine Schale aus über das Land, und die Haut, die die Menschen umschließt wie ein schützender Mantel, sie löst sich auf. Ohne Haut kann der Mensch nicht leben und nicht atmen, und er verliert den Odem des Lebens. Der zweite Engel gießt seine Schale aus über das Meer, das die Menschen nährt. Das Meer wandelt sich in Blut, die Schöpfung selbst verwandelt sich in Tod, und sie bringt auch den Menschen den Tod. Der dritte Engel gießt seine Schale aus über Flüssen und Quellen, die die Menschen tränken , und sie verdursten.

Die Schöpfung selbst schlägt zurück. Der Erde und den Menschen soll Gerechtigkeit widerfahren für das, was sie anderen antun. Die Menschen waren ungerecht, und die Schöpfung selbst verurteilt sie und lässt sie in Blut untergehen. Das Blut, das sie vergossen haben, sollen sie selbst trinken. Aber selbst im Untergang kommen sie nicht zur Einsicht und geben Gott nicht die Ehre.

Unaufhaltsam geht die Gerechtigkeit ihren Weg, als wäre sie die Macht, die von Gott unabhängig ihren Weg sucht.

Die sieben Schalen des Zornes Gottes, die ausgegossen werden, laufen parallel zum Gerichtstag, dem Tag der“ Ernte“, sie sind dessen Konsequenz. Sie sind die Auflösung der Schöpfung der Erde und des Machtgefüges des (römischen) Imperiums. Gott nimmt seine Schöpfung zurück, es ist seine „Ernte“, der Sommer ist da. Der Herr der Ernte erntet ab und bringt sein Korn in die Scheune, die Spreu verbrennt er, die Frucht des Weinstocks bringt er in die Kelter.

Es ist der zwangsläufige Weg, der „Zorn Gottes“ sind die Plagen des Exodus, die den Auszug der Kinder Gottes begleiten,wenn sie die alte Welt verlassen. Durch die Plagen des Untergehens und des Sterbenmüssens müssen die Menschen hindurch. Um zur Freiheit zu kommen, müssen die Kinder Gottes die Fluten  des Meeres durchwandern. Sonst läßt der „Pharao der Welt“, der Urdämon sie nicht ziehen in die Freiheit, - nur das „Sterben“ der Schöpfung befreit am Ende die Kinder des Lichts.

Im Bild des Buchmalers sieht man, wie der erst Engel sein Füllhorn ausgießt über die Bewohner der Erde, die dem „Tier“ anhängen, der zweite Engel gießt sein Füllhorn aus über das Meer, im grau und rot gefärbten Wasser verenden die Fische, und der dritte Engel gießt sein Füllhorn aus über die hervorbrechenden Quellen, auf dass sie sich in Blut verwandeln.

 

 

Tafel 31:

Als der vierte Engel seine Schale über die Sonne gießt, verwandelt sie sich in einen Hitzeball, einen „roten Riesen“, und sie verbrennt die Erde anstatt ihr Licht und Wärme zu geben und lässt die Berge schmelzen. Die Schöpfung kehrt sich um und wendet sich gegen die Geschöpfe, die ihrer Bestimmung nicht gefolgt sind.

Der fünfte Engel gießt seine Schale aus über das Reich des Tieres: Statt Licht kommt Finsternis über die Erde und Angst und Schmerz, die Menschen schwinden dahin. Die Schöpfungswelt erstarrt in endloser Finsternis und Kälte.

Die Aggressivität und die Zerstörungswut der Menschen, die nicht Kinder Gottes sind, ist größer als die Angst vor ihrem eigenen Untergang. Auch angesichts ihres drohenden Untergangs siegt nicht die Einsicht und die Vernunft. Auch im eigenen Untergang kehren die Menschen meistens nicht um.

Als der sechste Engel seine Schale über den großen Strom, den Euphrat gießt, trocknet das fruchtbringende, lebenspendende Wasser des Euphrat aus, und das Urchaos kommt wieder und führt mit sich die dämonischen Geisterheere. Die Wasser, die das Land nähren, trocknen aus und verdunsten, und die Chaosmächte rücken vor über dieses ausgedörrte Land. Der Schutzwall des lebenspendenden Wassers, des „Euphrat“, zerbricht, und eine neue gewaltige dämonische Sintflut wälzt sich über das Land gleich einem „Hunnensturm“ und bedroht das Leben, das von Gott kommt.

Der „wiedererstandene Nero“ führt nach der Legende die Könige des Ostens, die Partherheere über den ausgetrockneten Euphrat, und er führt sie mythologisch gegen den auferstandenen Christus in die Entscheidungsschlacht. Die „Frösche“, die aus dem Maul des Urdrachen und der beiden „Tiere“ kommen, rufen mit ihrem dämonischen Gequake die gottfeindlichen Mächte zusammen zum Kampf am Tag Gottes in Harmagedon, einem mythologischen Ort. Es ist ein Kampf, der sich abspielen wird in der unsichtbaren Welt, hinter den Kulissen nach dem Ende der Weltenzeit, jenseits der Geschichte.

Nach außen hin wirken die dämonischen „Frösche“ Wunder, aber innerlich zerstören sie die Menschen. Noch besetzen in der Jetztzeit die Dämonenheere die Menschen, die Unterwelt kocht hoch, sie sieht ihr Ende nahen. Dann werden schließlich diese Dämonengeister, die die Drachen der Unterwelt ausgespuckt haben, die Könige der Unterwelt zusammenholen zum Kampf gegen den endzeitlichen Christus.

In der Endzeit wendet sich die ganze Schöpfung Gottes gegen die Menschen, die auf  Seiten der „Drachen“ stehen. Ihnen wird Schritt für Schritt ihre Lebensgrundlage entzogen, denn sie haben auf den „Tod“ gesetzt, und sie werden am Ende ihr Leben verlieren. Diejenigen aber, die wachsam auf das Kommen von Christus warten, die nicht von Menschen, sondern von Gott gekleidet sind, sie werden ins Leben gehen. Selig werden gepriesen im Mattäusevangelium die Menschen, die Nackte bekleidet haben, die Barmherzigen, denn sie werden die Kleider Gottes tragen, und nicht nackt sein, wenn der Herr unerwartet kommt zum Gericht. Ihre Werke werden sie kleiden, und die Unbarmherzigen, die in feines Linnen gekleidet sind, werden nackt gehen.

Im Bild des Buchmalers  gießt der vierte Engel sein Füllhorn aus über der Sonne, die sich blutrot färbt. Sie erscheint als Figur mit Strahlenkranz und schlägt vor Trauer die Hände vor das Gesicht, die Menschen darunter versuchen sich vor der Hitze zu schützen, damit sie nicht verbrennen. Der fünfte Engel gießt sein Füllhorn aus über das Reich des „Tieres“ und einen Anhänger des „Tieres“. Das „Tier“ ist halb aus der Erde gestiegen, der Strahl trifft sein geöffnetes Maul. Der sechste Engel gießt sein Füllhorn aus über zwei Drachen, die Widderhörner tragen, sie steigen aus den Fluten des austrocknenden Euphrat empor. Aus ihren geöffneten Mäulern springen zwei Frösche.

 

 

Tafel 32:

Im Bild des Buchmalers gießt der siebte Engel im Flug sein Füllhorn über einer befestigten Stadt aus, die die Erde darstellt. Links im Bild ist eine weiße Wolke über der grünen Erde: Die Gewitterwolken ziehen auf.

Als der siebte Engel seine Schale über die Luft gießt und die Luft schwindet, die die Menschen und alle Geschöpfe zum Atmen brauchen, da bricht die ganze Schöpfungswelt auseinander. Gott reicht „Babylon“ den rächenden Becher seines Zornes, den Schierlingsbecher, damit es ihn trinke und sich selbst zerstöre. In einem gewaltigen Beben unter Einsatz der entfesselten Naturgewalten werden die „große Stadt“ und die Erde zerbrechen, Berge und Inseln verschwinden. Das Himmelsgewölbe wird seine schützende Wölbung zerbrechen lassen und seine Pforten öffnen für die Gewalten der „Urflut“, die von oben herabstürzen auf die Erde und alles begraben. Die Schalen des Zornes Gottes bewirken, dass die Schöpfung sich selbst zerstört, weil Gott sie zurücknimmt, seine Hand von ihr zurückzieht. Die Schöpfung selbst wendet sich gegen die Menschen, die auf  Seiten des „Drachen“ stehen, Kinder des „Drachen“ sind, und reißt sie in ihren eigenen Untergang mit hinein.

In apokalyptischen Visionen bricht in der Endzeit mit allen Schrecknissen die Welt derer zusammen, die nicht auf Seiten Gottes stehen. Von selbst ereilt sie ihr Schicksal, sie selbst lassen die Urflut, die neue Sintflut hereinbrechen und die Früchte ihres Lebens werden zu ihrem Gericht.

Natürlich bricht auch die Welt für die zusammen, die auf  Seiten Gottes stehen, aber sie erleben aus der Sicht der Apokalypse die Ereignisse nicht als hoffnungslose Katastrophen, weil sie sich von Gott gerettet wissen und sie die Herrlichkeit Gottes schauen werden. Gottes Volk zieht durch alle Plagen hindurch in die Freiheit der Kinder Gottes, es zieht hinein in eine neue Welt. Die Schöpfungswelt und Lebenswelt derer aber geht endgültig zugrunde, die nicht auf Seiten Gottes stehen, sie haben keine Lebensgrundlage mehr, ihr „ Himmelsgewölbe“ stürzt ein, sie verlieren den Boden unter den Füßen. Sie erleben diesen Untergang in seiner ganzen Schrecklichkeit, weil es für sie keine andere Welt mehr gibt. Es ist der „Tod“ der Schöpfung, sie geht zugrunde an den eigenen Taten der Bewohner der Erde, es ist ein „Sterben“ der Welt, die sich von Gott abgewandt hat.

Noch einmal sammeln sich die Heere der Dämonen, die Könige der Unterwelt zum letzten Kampf. Es ist eine Geisterschlacht zwischen Licht-und Finsternismächten am mythologischen Ort, in „Harmagedon“ (hebräisch), der auf griechisch „ Meggido“ heißt, es ist der Weltenberg, der in Gegensatz gestellt wird zum Gottesberg „Karmel“.

Die Mächte der Finsternis aber werden besiegt werden, und es wird ständig heller Tag sein.

 


 

II. 6. DIE HURE „BABYLON“

 

Dann kam einer der sieben Engel, welche die sieben Schalen trugen, und sagte zu mir: Komm, ich zeige dir das Strafgericht über die große Hure, die an den vielen Gewässern sitzt. Denn mit ihr haben die Könige der Erde Unzucht getrieben,, und vom Wein ihrer Hurerei wurden die Bewohner der Erde betrunken. Der Geist ergriff mich, und der Engel entrückte mich in die Wüste. Dort sah ich eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das über und über mit gotteslästerlichen Namen beschrieben war und sieben Köpfe und zehn Hörner hatte. Die Frau war in Purpur und Scharlach gekleidet und mit Gold, Edelsteinen und Perlen geschmückt.  Sie hielt einen goldenen Becher in der Hand, der mit dem abscheulichen Schmutz ihrer Hurerei gefüllt war. Auf ihrer Stirn stand ein Name: Babylon, die Große, die Mutter der Huren und aller Abscheulichkeiten der Erde. Und ich sah, dass die Frau betrunken war vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Christi.
Offenb. 17, 1-6

Mit dem Untergang der Schöpfungswelt geht auch Rom und das römische Imperium unter.

Auf das Ausgießen der siebten Zornesschale folgt die Vision über die Hure „Babylon“, ihre dämonische Machtgier und die Zerstörung der großen Stadt „Babylon“, des Imperiums der Macht, das mit der Schöpfungswelt untergeht. Die Hure „Babylon“ auf dem „Tier“ reitend und die große Stadt „Babylon“ sind Metaphern für das blutrünstige römische Imperium und ähnlich strukturierte „Imperien“ von Vergangenheit und Zukunft.

„Roma“ hängt als „Frau“ nicht Christus an, sondern sie wendet sich von ihm ab und „verehrt“ andere Götter, die Macht und Gewalt heißen und sie läßt sich selbst als „Göttin“ feiern.

Der Seher Johannes sieht die Hure in der „ Wüste“, wo die Dämonen hausen,  reitend auf einem Drachen und trunken vom Blut der Heiligen, eine „mörderische Hure“. Sie wird in der wasserlosen Wüste verdursten, niemand wird ihr Wasser geben. Sie ist einsam und isoliert, sie wird „verdursten“, weil sie keinen Anteil am „Wasser des Lebens“ hat, das von Gott kommt. Sie ist diejenige, die an den vielen Gewässern sitzt, sie bedeuten die Massen der Menschen und die Nationen, die sie beherrscht und unterjocht - den ganzen Mittelmeerraum.

Aber an diesen Gewässern wird sie verdursten, sie können sie nicht tränken - innerlich ist sie bereits eine Wüste. Der Seher Johannes sieht „Rom“ in den Zeiten und Ereignissen, in denen es im Blutrausch war und keine Gerechtigkeit und Toleranz walten ließ.

 

 

Tafel 33:

Von oben, über dem Goldgrund des Himmels, wie von einem Balkon, läßt der Buchmaler den Seher Johannes hinabblicken auf das Geschehen. Der Finger des Deuteengels weist nach unten, wo die grüne Erde sich erhebt aus der Urflut, und auf ihr sitzt das siebenköpfige, zehnhörnige Ungeheuer, das „Tier aus dem Meer“.27) Es ist getaucht in die Farben von Braun und Schwarz und bräunlichem Rot, die Bärentatzen besitzergreifend  auf die Erde gelegt. Blutrot die Zunge des Tieres, alle sieben Köpfe haben die Mäuler geöffnet, bereit zum Verschlingen, drohend hochgereckt sind die Köpfe gleich den Zacken einer Krone; schlangenartig gedreht ist der Schwanz des Drachen, ausdrückend seine Hinterlist, hochgereckt in hemmungsloser Gier nach Lust sein Fischschwanz.Die Mähne des Drachen gleicht den Wellen des Meeres, durch eine punktierte Linie abgesetzt vom Erdbraun des Drachen: Er vereinigt in sich Meer und Land. Königliches Gehabe paart sich mit Brutalität, Hinterhältigkeit und Gier. Auf dem Drachen thront die Hure „Babylon“, Inbegriff der hemmungslosen, gewalttätigen Machtgier, mit dem Füllhorn des Schreckens in der Linken: Ist sie schon im Blutrausch oder trinkt sie aus dem Becher das Blut der Martyrer, das sie trunken macht? Sie ist gehüllt in kostbaren, vornehmen, violetten Pupur mit blutrotem Gürtel. In den Borten des Kleides holt sie sich das Gold des Himmels herab,ihr Haupt ist umgeben vom Glorienschein der grünen Erde , die Haare hat sie hochgebunden wie Hörner, die Augen schreckerregend geöffnet.

Kontrastierend zu dem Ungeheuer, das gekleidet ist in die Farben dämonischer Zerstörungswut, sitzt die trunkene Hure da in Purpur gekleidet - unter dem Glanz der äußeren Gestalt aber bewegt sich darunter das Ungeheuer, es trägt die Hure auf seinem Rücken. Nur die weißpunktierte Zeichnung des Drachen und des Gewandes der Hure zeigen, dass sie zusammengehören: Weiß ist hier die Farbe des Todes, oder schmücken sie sich punktweise mit den Farben des Lichts und der Unschuld? Das Ungeheuer trägt den Kopf eines Löwen, es hat den Körper eines Drachen, vermischt mit den Attributen der Schlange, es trägt die Haare wie die bedrohlich schäumenden Wellen des Meeres, dem es entstieg, und sie wirken wie Schaumkronen, sein Höllenrachen zeigt sich als aufgesperrtes Löwenmaul.

Der Glorienschein der Frau im satanischen Grün wie in einem Fenster der Kathedrale von Chartres 25) drückt aus die betrogenen Hoffnungen der Menschen, die sich richteten auf das auf die grüne Erde gebaute Rom, auf den Inbegriff totaler Macht, und steht im Gegensatz zum Glorienschein des Deuteengels und des Sehers im göttlichen Goldgrund. Über die Grenze von Himmel und Erde hinweg ragt der Kopf des Ungeheuers und der Frau in das Gold des Himmels hinein, - eine „göttliche“ Pracht -, die Frau hält das Füllhorn in der Hand, das von außen die Farbe des Gewandes des Engels trägt, inwendig aber alle Gräuel der Erde enthält, an denen sie sich berauscht - das Füllhorn des Grauens. Schwarz und Braun sind die Grundfarben des Drachen, Schwarz symbolisiert hier die Nacht, Vernichtung und Tod, seine Trauer ohne Hoffnung - Braun aber, von Ocker bis Erdbraun, symbolisiert hier negativ Vernichtung, Sodom und Gomorrha, rauchende Feuer.

Die Weltmacht Rom, die Göttin „Roma“, ist eine Hure, denn diese Macht geht mit jedem, der ihre Macht erhält, und sie reitet auf dem römischen Imperium, der Abfolge des römischen Kaisertums, das sich wie ein Ungeheuer durch die Geschichte zieht. Die Hure „Rom“ veführt dazu, den römischen Kaiser und nicht den Gott der Christengemeinden zu verehren.

Im griechischen Mythos ist der Bock das Reittier der Aphrodite und des Dionysos, das Reittier von Göttern; die Göttin “Roma“, die luxuriöse Wollust, reitet auf dem Bock, der Bock aber ist in Wahrheit ein Drache, das Symbol des Todes und der Unterwelt.

Die Stadt auf den sieben Hügeln - das vormals weltbeherrschende Rom - ist eine Metapher für globale Machtgier und Gewalt. Die sie beherrschen, verkaufen sich für Geld, sind korrupt, schließen Allianzen mit Mördern, unterdrücken und versklaven die Völker und beuten sie aus. Diese Macht reitet auf einem siebenköpfigen Ungeheuer, das sie trägt; aus dem einen Kopf wachsen im Bild des Buchmalers sechs weitere gleich einer Hydra, die stolz ihre Häupter erheben, geschmückt mit den zehn Hörnern, den Zacken der Macht. Diese zehn Hörner sind wohl der Inbegriff der Vasallen und Verbündeten Roms oder auch dämonischer  Geisterheere.

Das dämonische Ungeheuer trägt Rom, es trägt seine Köpfe wie eine Krone, und es hat Besitz ergriffen von der Erde. Stolz erhebt die „Hure Rom“ ihr Haupt, sie thront auf den sieben Hügeln und treibt es mit jedem, der ihren Reichtum und ihre Macht vergrößert, zu ihrer grenzenlosen Befriedigung und Lust. Sie ist die Antipode zur akokalyptischen Frau, die am Himmel steht und Christus gebiert. Der Seher Johannes sieht auf ihrer Stirn den Namen „Babylon“ geschrieben, (denn die römischen Huren trugen ein Stirnband , auf dem ihr Name geschrieben stand).

Der Dämon ist ihr Sitz, den Becher hat sie gefüllt mit den Gräueln der Endzeit, die es anbietet - das ist es, was sie für die Menschen gebiert - sie ist in den Purpur des Gewalthabers und in den scharlachroten Mantel des Krieges gehüllt, sie mordet Propheten und Heilige, und bringt Ausbeutung, Unfriede und Ungerechtigkeit über die Erde.

Am Ende aber wird das „Tier“ mit seinen zehn Vasallen (zehn Hörner) kommen, so erzählt die Offenbarung, und sich sogar gegen „Hure“ Rom wenden, ihr alles wegnehmen und sie vernichten (Offenb. 17,15-18). Hier wird im Text der Offenbarung angespielt auf die Legende, dass der wieder auferstandene Kaiser Nero am Ende wiederkommen werde an der Spitze der Partherheere und Rom vernichten werde.

Hinter dem Vordergründigen und Sichtbaren spielt sich im Hintergrund ab eine gigantische Schlacht zwischen dem „Lamm“ und der Welt des „ dämonischen Ungeheuers“, ein Kampf in der unsichtbaren Welt. Das „dämonische Ungeheuer“ hat seinen Sitz in den Gedanken, Wünschen und Plänen  der Menschen, bricht immer wieder hervor und verwüstet die Erde, bis es wiederum hinabsinkt ins Vergessen, ehe es das nächst Mal wieder auftaucht aus dem dämonischen Chaos. Wie ein Chamäleon wechselt es Farben und Zeichen, neben dem gehakten, gedrehten Kreuz, fälschlich als“ neue Sonne“ bezeichnet - zeigt es als Erkennungszeichen auch Hammer und Sichel und führt endlose Massen in Krieg, in Lager und Gulags und hinein in maßlose Trauer und Marter und Sterben und Tod, in Verschwinden - Vergessen; und belauert uns aufs Neue in wechselnder Gestalt, raunend und lockend, mit freudiger Verheißung, in geheimnisvoller Anziehung gleich einer Hure, bis es sich entblößt, sein prunkvolles Kleid abstreift und sich zeigt in banaler Nacktheit, in wahrer Gestalt, den Menschen entwertend und erniedrigend, in plötzlich scheinendem Wandel zur Bestie mutiert, die alles verschlingt, was sich ihr nähert, als wäre sie ein schwarzes Loch im Universum, das alles in sich hineinzieht.

Schmal ist der Weg des Lebens zwischen Chaos und Erstarrung, der Weg zum Glück und zur Liebe zerbrechlich wie Glas, sorgsam muss man das Glück  des Lebens hüten, damit es nicht zerspringt.

Gleichwie in einem verzerrten Spiegel erkennt man das Wahre oft nicht und läßt sich täuschen vom Trugbild, und zu spät erkennt man die Maske, hinter der sich das Dämonische verbirgt. Bricht es hervor, so ist es wie das Brechen des Dammes, und es begräbt, was sich ihm entgegenstellt, unter sich. Hinter der wahren Welt verbirgt sich, für uns unsichtbar, die dämonische Welt und wartet auf die Lücke, die wir ihm öffnen, um emporzutauchen, und die Macht zu ergreifen.

Zerbrechlich wie dünnes Eis ist die obere kulturelle Schicht, auf der wir uns bewegen; doch darunter brodelt es, bis es wieder hochkocht gleich einem Vulkan und Verderben ausspeit wie aus einem Füllhorn des Grauens, bis die Menschlichkeit wiederum die Oberhand gewinnt - die Menschlichkeit, geboren in Christus und vielerlei Propheten, vieler Couleur, in den Räumen der Zeiten und Völker. Neue „Babylons“, neue „Roms“ und viele kollektive Gewalten tauchen wieder und wieder auf im Wandel der  Zeiten, wie ein „Tier aus dem Meer“ in kollektiver Maske.

Das“ Tier aus dem Meer“ hat Vergangenheit und Zukunft, aber keine Gegenwart, denn nur Gott ist gegenwärtig, er ist immer für die Menschen da, die Zeit des „Tieres“ aber ist eine begrenzte Zeit, ein Intermezzo. Es hat keine Dauer, es ist nur eine flüchtige Erscheinung: es war , und es kommt wieder, aber es hat keinen Bestand.

 Das „Ungeheuer“ - ist es der kollektive Wunsch der Vielen, die das Ungeheuer schaffen, das sie dann selbst verschlingt ? Die kollektive Maske gebiert das „Ungeheuer“, das sich schließlich mit dem Szepter und der Krone schmückt. Ist die Mordlust und die Arroganz der Macht dem Menschen eingeprägt, steigert sie sich im Gleichklang zur kollektiven Bewegung, werden viele Rinnsale so zum Fluss?

„Der Mensch, der kleine Gott der Welt, er ist so sonderbar als wie am ersten Tag. Er (Gott) hat ihm den Schein des Himmelslichts gegeben, er (der Mensch) nennt`s Vernunft, doch dient´s ihm nur, um tierischer als jedes Tier zu sein“. (Goethe)

 


 

II. 7. DER STURZ „BABYLONS“

 

Danach sah ich einen anderen Engel aus dem Himmel herabsteigen; er hatte große Macht, und die Erde leuchtete von seiner Herrlichkeit. Und er rief mit gewaltiger Stimme: Gefallen, gefallen ist Babylon, die Große! Zur Wohnung von Dämonen ist sie geworden, zur Behausung aller unreinen Geister und zum Schlupfwinkel aller unreinen und abscheulichen Vögel. Denn vom Zornwein ihrer Unzucht haben alle Völker getrunken, und die Könige der Erde haben mit ihr Unzucht getrieben. Durch die Fülle ihres Wohlstandes sind die Kaufleute der Erde reich geworden.

Dann hörte ich eine andere Stimme vom Himmel her rufen: Verlass die Stadt, mein Volk, damit du nicht mitschuldig wirst an ihren Sünden und von ihren Plagen mitgetroffen wirst. Denn ihre Sünden haben sich bis zum Himmel aufgetürmt, und Gott hat ihre Schandtaten nicht vergessen. Zahlt ihr mit gleiche Münze heim, gebt ihr doppelt zurück, was sie getan hat. Mischt den Becher, den sie gemischt hat, doppelt so stark. In gleichem  Maß, wie sie Prunk und Luxus lebte, lasst sie Qual unnd Trauer erfahren. Sie dachte bei sich: Ich throne als Königin, ich bin keine Witwe und werde keine Trauer kennen. Deshalb werden an einem einzigen Tag die Plagen über sie kommen, die für sie bestimmt sind: Tod, Trauer , Hunger. Und sie wird im Feuer verbrennen; denn stark ist der Herr, der Gott, der sie gerichtet hat.

Die Könige der Erde, die mit ihr gehurt und in Luxus gelebt haben, werden über sie weinen und klagen, wenn sie den Rauch der brennenden Stadt sehen. Sie bleiben in der Ferne stehen aus Angst vor ihrer Qual und sagen: Wehe! Wehe, du große Stadt Babylon, du mächtige Stadt! In einer einzigen Stunde ist das Gericht über dich gekommen. Die Kaufleute, die durch den Handel mit dieser Stadt reich geworden sind, werden aus Angst vor ihrer Qual in der Ferne stehen, und sie werden weinen und klagen: Wehe! Wehe, du große Stadt, bekleidet mit feinem Linnen, mit Purpur und Scharlach, geschmückt mit Gold, Edelsteinen und Perlen. In einer einzigen Stunde ist dieser ganze Reichtum dahin.
Offenb. 18, 1-8.9.10.15-17

Die „Hure Babylon“ als Frau wandelt sich in der Vision des Sehers Johannes dramaturgisch in die große Stadt „Babylon“, die zusammenstürzt und im Feuer vergeht. Die Frau ist die große Stadt, die Herrschaft über die Könige der Erde besitzt. Der Seher schildert nicht ihr Zusammenstürzen und ihr Vergehen, sondern das maßlose Erstaunen darüber, das bei Königen, Kaufleuten und Handeltreibenden sich zeigt und ihre Totenklage. Gott stellt die Gerechtigkeit wieder her, „er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“, heißt es im Magnifikat, „die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen“.

Die große Stadt - nie hat sie sich in Liebe mit jemand vermählt, nie um jemand getrauert, sie dachte von sich: ich throne als Königin, ich bin keine Witwe und werde keine Trauer kennen. Mitleidlos sah sie den Untergang der anderen, von denen sie keine andere Stadt liebt, sie liebt nur sich selbst, sie denkt nur an sich. Nie hat sie jemand verloren, der ihr am Herzen lag - sie hat ein Herz von Stein in ihrer Brust.

Die trunkene Hure, die große Stadt „Babylon“, die untergeht, erinnert an das Gastmahl des trunkenen Königs Belschazzar, des Königs von Babel, von dem das Buch Daniel im fünften Kapitel erzählt: In seiner Weinlaune lässt er beim Mahl mit den Großen seines Reiches die geraubten goldenen Gefäße des Tempels von Jerusalem holen und trinkt daraus. Da erscheinen die Finger einer Menschenhand und schreiben an die Wand des königlichen Palastes: „mene - tekel - uparsin“: Gezählt hat Gott die Tage deiner Herrschaft und macht ihr ein Ende - gewogen wurdest du auf der Waage und  zu leicht befunden - geteilt wird dein Reich und den Medern und Persern gegeben.

„Belschazzar aber ward in derselbigen Nacht von seinen Knechten umgebracht“.

 

 

Tafel 34:

Im Bild des Buchmalers ragt der machtvolle Engel im Lichtglanz Gottes heraus aus der oberen Welt und schaut herab auf die auf den Kopf gestellte Stadt „Babylon“, sie steht kopf, das Unterste zu oberst. Links und rechts von der gekippten Stadt, mit Mauern und Türmen bewehrt, stehen die entsetzten, ratlosen und verwunderten Beobachter des Geschehens; Könige und Kaufleute sehen es von ferne. Die Stadt ist „verrückt“, das Meer ist oben, die Erde unten  - untergegangen ist die große Stadt „Babylon“, im Urmeer versunken, nur ein Teil ragt noch heraus. Die Tore der Stadt stehen offen, sie ist verlassen, aus dem Himmel erscheint die Hand Gottes.

Als die Morgenröte aufsteigt, die Erde aufleuchtet von der Herrlichkeit Gottes, gehen Sodom und Gomorrha unter, erzählt das Buch Genesis im neunzehnten Kapitel. Das Volk Gottes, die frühchristliche Gemeinde soll ,wie Lot mit seinen Töchtern Sodom verließ, die Stadt  „Babylon“ verlassen, damit sie nicht mit ihr untergehe. Sie soll sich lösen von der strukturellen Machtgier der Stadt, um nicht in ihre Schuld verstrickt zu werden. Es soll ein“ Exodus“ sein aus dem Herzen „Babylons“. Dreh dich nicht um wie Lots Frau in Sehnsucht nach der Stadt und lass ihre Reichtümer zurück!

Wie der Turm von Babel hat die Schuld sich aufgetürmt, versinnbildet in den Türmen der Stadt, die nach unten ragen. Zerstört ist Babels Turm, die Menschen „sprachlos“ wie die Bewohner von Babel, da Gott ihre Sprache verwirrte. Weltreiche, deren Türme in den Himmel ragen, werden versinken,vergehen vor Gottes Macht. Beim Mischen des Bechers erscheint das Menetekel an der Wand, die Tage der großen Stadt sind gezählt. Sie hat gelebt in Luxus und Pracht, Liebe und Erbarmen waren ihr fremd, sie scherte sich nicht um Vergangenheit noch um ihre Zukunft, sie lebte hinein in den Tag ohne Gott, sie genügte sich selbst und brauchte niemand. Jetzt soll die Gerechtigkeit sie ereilen, sie soll im Feuer verbrennen, der Tod ist ihr Los, Trauer ihr Anteil.

Der Handel mit Luxusgütern war ihr zentrales Interesse, nie hat sie an die Armen gedacht, und was sie brauchen zum Leben. Mit Königen und Herrschern, die ihre Völker unterdrücken, ging sie Bündnisse ein und eine „Liebesheirat“, ihr Geld und Kapital global zu mehren, mit Menschen hat sie gehandelt wie mit Waren, sie hat Sklavenhandel betrieben, sie hat Menschen wie Sklaven behandelt. Nichts war ihr heilig, ihr Gott war das Geld, das Kapital,der Gewinn, die Aktie und ihr Kurs - Ökonomie ohne Moral, Sexualität ohne Liebe. Die Dome und Türme der Banken, geschmückt mit feinstem Glas und erlesenem Marmor wie Kathedralen, vergehen in ihrer Pracht, auch wenn sie sich über alle erheben. Die große Stadt „Babylon“, bekleidet mit feinem Linnen und Purpur, geschmückt mit Gold, Edelsteinen und Perlen - in einer einzigen Stunde ist dieser ganze Reichtum dahin.

„Auch die Frucht, die dein Leben begehrt, ist von dir gegangen.Und alles Glänzende und Leuchtende hast du verloren, und nimmermehr wird man es finden“( Offenb. 18,14: Das Neue Testament, übers. v. Fridolin Stier, a.a.O.)

Alle komischen Vögel und Verkommenen haben bei ihr Unterschlupf gefunden. Sie ist die Hure der Völker, sie geht mit jedem, der ihr Vorteile verschafft, und ihr Luxus zieht sie alle in ihren Bann.

Wer sich auf sie einlässt, mit ihr „Handel“ treibt, verkauft seine Seele an sie.

Mischt für die Stadt den Becher, den sie gemischt hat für die Menschen, doppelt, der Segensbecher des Paschamahles soll für sie zum Todesbecher werden - doppelt soll ihr alles vergolten werden, was sie anderen angetan hat, damit die Gerechtigkeit wieder hergestellt werde. „Denn wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Ärgernis wird“, sagt das Mattäusevangelium, „bei dem wäre es besser, dass ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er in die Tiefen des Meeres versenkt würde“.

 

Dann hob ein gewaltiger Engel einen Stein auf, so groß wie ein Mühlstein; er warf ihn ins Meer und rief: So wird Babylon, die große Stadt, mit Wucht hinabgeworfen werden, und man wird sie nicht mehr finden.
Offenb. 18, 21

Das Licht der Lampe scheint nicht mehr in der Stadt, erzählt der Seher Johannes, ihr Lichtglanz ist erloschen, es wird dunkel um sie. Die Stimme von Braut und Bräutigam hört man nicht mehr in ihr, sie hat keine „Hochzeit“ mehr , sie hat keine Nachkommen mehr, keine Zukunft mehr. Bei Babylons Vernichtung stirbt auch die Musik: Die Musik von Harfenspielern, Flötenspielern, Trompetern hört man nicht mehr. Auch Gottes Stimme, die wie die Musik einer Harfe klingt, ist in Babylon nicht mehr zu hören. Freude und Phantasie sterben mit - alle Kreativität und Schaffensfreude stirbt mit. Alles verstummt, die Trauer läßt alles verstummen. Es herrscht Totenstille.

 

Tafel 35:

Im Bild des Buchmalers sieht man einen geflügelten Engel, er schreitet auf den Fluten des Urmeeres und versenkt einen Mühlstein im Meer. Am raschen Schwung seines Purpurgewandes erkennt man die drängende Eile - es ist keine Zeit mehr übrig - die Zeit ist erfüllt. Es steht in Kontrast sein goldener Glorienschein oben zum kreisrunden rötlichen Mühlstein unten, sein leichter Flügelschlag in Kontrast zur Schwere des Meeres. Noch ist der Mühlstein im göttlichen Bereich, doch noch in derselben Minute wird er versinken, seine eigene Schwere zieht ihn von selber nach unten - daneben die Leichtigkeit und Schwerelosigkeit des Engels, der geht auf den Fluten des Meeres.

Ist es „Rom“, “Babylon“, das versinkt oder eine Megapolis der Zukunft, in Traumbildern wechseln ambivalent Bedeutung und Bilder. Mit überlangen Fingern rollt der Engel den Mühlstein, sein rechter Flügel ragt aus dem goldenen Bereich über den Himmelsozean in den Feuerhimmel, während seine Füße auf dem Urmeer dahinschreiten. Die Megapolis wird hinabgeschleudert mit einem einzigen Wurf und wird spurlos verschwinden; die Geräusche der Arbeitsmaschinen verstummen, die freudigen Geräusche einer Hochzeitsnacht sind nicht mehr zu hören, die Musik verklingt, das Licht lischt aus - Totenstille.

In den Augen des Sehers Johannes versinkt die Welt und mit ihr „Rom“, die Manifestation der strukturellen Ungerechtigkeit und der Pervertierung der Macht, die von einem dämonischen Drachen getragen wird. Wer ist dieser dämonische Drache? Gibt es hinter dem Augenscheinlichen noch eine andere Wahrheit, die das Geschehen treibt? Das Dämonische ist da, wenn es auch vielleicht keine eigene persönliche Macht ist, keine wirkliche Gestalt hat - wir wissen es nicht -, es ist auch kein Bestandteil des Credo, aber es lebt doch und vor allem in den Herzen der Menschen. Es lebt nicht in den Herzen der Tiere, es hat sich mit der „Vernunft“ gepaart. Doch am Ende wendet sich die ganze Schöpfung gegen es, und es wird endgültig besiegt in einer „Entscheidungsschlacht“, die von Christus geführt wird. Es ist eine Entscheidungschlacht vor allem auch in den Herzen jedes einzelnen Menschen.

Gefährlich ist es, wenn Menschen selbst sich zu Richtern aufschwingen, sich an Gottes Stelle als Richter setzen, und die Fackel des Hasses gegen Türme schleudern, die sie für „Babylons“ Türme halten. „Babylons“ Türme sind nicht World-Trade-Centers oder Minarette, urbane Zentren aller Couleur, Finanzzentren oder religiöse Zentren, sondern die „Türme“ sind zuerst in den Herzen und Köpfen der Menschen errichtet in ihren Gedanken und Plänen, man kann sie nicht bombardieren,  - der Endpunkt der Welt wird von Gott selbst gesetzt. Er braucht keine fliegenden Bomben, sondern nur den leichten Flügelschlag seines Engels, um Gerechtigkeit zu schaffen.

Wenn Gott aber die Gerechtigkeit hergestellt hat, wird großer Jubel im Himmel herrschen.
(Offenb. 19, 1-10)

 

 

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